Im Oktober haben sie den Cybercrime-Vorbereitungsdienst abgeschlossen – nun sind sie Kriminalkommissarinnen und -kommissare. Welche Erfahrungen haben unsere neuen Kriminalistinnen und Kriminalisten in den ersten Monaten gemacht?
Aktuelles
Abschlussklasse 2020: Cyberkriminalisten der Polizei Sachsen berichten
Gefälschte Paket-SMS, bei denen nach einem Klick auf den Link Schadsoftware installiert wird, Fake-Shops im Internet oder Betrugsmails und Erpressungssoftware: Cyber-Kriminelle arbeiten mit verschiedensten teils sehr komplexen Betrugsmaschen, die sich ständig verändern. In Sachsen nahm die Anzahl der Straftaten mit dem „Tatmittel Internet“ 2020 um 29,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. Dieser Anstieg im Bereich Cybercrime, den die Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt, lässt sich zum Teil auf einen verstärkten Onlinehandel zurückführen.
Die Cyber-Spezialisten der Polizei Sachsen haben diesem Deliktsfeld den Kampf angesagt. Aber nicht nur das – auch in vielen Bereichen der klassischen Polizeiarbeit und Kriminalistik sind sie und ihr Fachwissen unverzichtbar.
Cybercrime-Spezialisten: Wichtiger Teil des Ermittler-Teams
Mit dem Vorbereitungsdienst zur Kriminalkommissarin beziehungsweise zum Kriminalkommissar für Computer- und Internetkriminalität bildet die Polizei Sachsen seit 2015 IT-Spezialisten zu Cyber-Ermittlern weiter. Das einjährige Programm ist eine „Polizeiausbildung im Schnelldurchlauf“ mit Kriminalistik, rechtlichen Grundlagen und zum Beispiel Schießtraining – so beschreibt es Absolventin Jennifer. Sie ist Teil der „Cybercrime-Abschlussklasse 2020“ – dieser fünfte Jahrgang des Cybercrime-Vorbereitungsdienstes der Polizei Sachsen wurde im vergangenen Oktober feierlich zu Kriminalkommissarinnen und -kommissaren ernannt.
In den Polizeidienst gehen mit einem Studium in Informatik, Wirtschaftsinformatik, Informations- und Kommunikationstechnik (oder einem vergleichbaren Studium mit IT-Bezug) – das ist definitiv kein Job wie jeder andere. Drei der neuen Ermittlerinnen und Ermittler geben einen Einblick in ihre ersten Monate als Kriminalkommissarin oder -kommissar für Computer- und Internetkriminalität:
Fabian, 24 Jahre: Schon etwa 80 Fälle von A bis Z bearbeitet
Ich habe Wirtschaftsinformatik studiert und während des Studiums bei einem großen Dienstleistungsunternehmen für Kommunikation in Chemnitz gearbeitet. Im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, dass ich in erster Linie nicht nur technisch, sondern auch mit Menschen arbeiten möchte. Das spielte eine besondere Rolle, als ich mich nach einer neuen beruflichen Aufgabe umgesehen habe. Letztendlich fiel meine Wahl auf die Polizei, da diese auch einen hohen Bedarf an IT-Fachkräften hat. Wir bewegen uns schließlich gefühlt alle online.
Wenn ich an den Vorbereitungsdienst zurück denke, dann war das für mich wirklich eine sehr intensive Zeit. Ich durchlief im Rahmen von Praktika eine Vielzahl von Abteilungen und nahm an unterschiedlichen Einsätzen teil. Außerdem haben wir uns im Unterricht tiefergehend mit den rechtlichen Grundlagen, die für unsere tägliche Arbeit unabdingbar sind, beschäftigt. Schießtraining stand auch mit auf dem Stundenplan. Während der Zeit beim LKA befasste ich mich mit Themengebieten wie Wirtschaftskriminalität, Cybercrime und Technik. Insgesamt bekam ich in dem Jahr einen guten Einblick in die Funktions- und Arbeitsweise der Polizei.
Vor knapp acht Monaten wurde ich zum Kriminalkommissar ernannt und dann ging es auch direkt an meinen neuen Arbeitsort – die Polizeidirektion Görlitz. Hier beschäftige ich mich zu 90 Prozent mit sogenannten Fake-Shops beziehungsweise Warenbetrug. Meine Aufgabe besteht darin, die entsprechenden Seiten zu sichern, Ermittlungsansätze zu finden und Geldflüsse zu verfolgen. Manchmal muss ich sprichwörtlich nach jedem kleinen Grashalm greifen. Gerade im Internet verliert sich die Spur ganz oft im Ausland.
Darüber hinaus stehe ich regelmäßig im Austausch mit Banken, Staatsanwälten und Geschädigten. Ich ermittle in allen Branchen, habe bisher circa 80 Fälle selbstständig von A bis Z bearbeitet und schätze diesen großen Verantwortungs- und Entscheidungsspielraum, den ich habe, sehr. Ein klassischer Fall war unter anderem, dass jemand die Daten einer Frau ausgespäht und danach im Internet Bestellungen ausgelöst hat. Die Person konnte ich ausfindig machen und damit den Fall lösen. Das war ein tolles Gefühl.
Nicht nur „Büroarbeit“ – als IT-Experte bei Einsätzen dabei
Parallel zu meiner Schreibtischarbeit habe ich regelmäßig Rufbereitschaft und unterstütze die Kollegen der Polizei bei unterschiedlichen Einsätzen. Damit verlagert sich sozusagen die „klassische“ Bürotätigkeit. Als IT-Experte ist man bei Einsätzen schnell der erste Ansprechpartner, wenn es um IT-Belange geht. Bei einer größeren Durchsuchung sollte ich anfangs eigentlich nur zuschauen, um ein erstes Gefühl für die Abläufe zu bekommen. Wenige Minuten später wurde ich zum Einsatzleiter gerufen, sollte mich um die Rechner des Beschuldigten kümmern und den Einsatzleiter beim weiteren Vorgehen beraten.
Insgesamt schätze ich bei der Polizei die Work-Life-Balance und natürlich bietet der Job auch eine gewisse Sicherheit, nicht zuletzt wegen der Verbeamtung. Für mich als gebürtiger Bautzener ist es auch einfach schön, heimatnah arbeiten zu können.
In meiner jetzigen Position als „Cybercop“ bin ich sehr zufrieden und ich stelle mich bereitwillig den täglichen Herausforderungen. Dennoch würde ich gern innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre eine Führungsposition innerhalb der Polizei bekleiden, in der ich mir einen noch größeren Überblick über Zusammenhänge verschaffen kann und auch Personalverantwortung habe. Das heißt also für mich, dass ich mich intern für den höheren Dienst bewerben möchte und nochmal die Schulbank drücke.
Jennifer, 23 Jahre: Spezialistin für Mobilgeräteforensik
Anders als Fabian habe ich schon sehr früh gewusst, dass ich zur Polizei möchte. Ich habe nach meinem Abitur 2016 „Allgemeine und Digitale Forensik“ an der Hochschule Mittweida studiert und 2019 mit dem Bachelor abgeschlossen. Die Polizei Sachsen und die Hochschule Mittweida arbeiten eng zusammen. Für mich stand fest, dass ich nach dem Studium den Vorbereitungsdienst machen möchte, da ich so meinen Zukunftswunsch und meine Studienerfahrungen kombinieren kann. Auch, dass ich in meiner Heimat Sachsen bleibe, war für mich wichtig.
Der einjährige Vorbereitungsdienst war für uns praktisch die Polizeiausbildung im Schnelldurchlauf. Von Strafrecht, Grundrechtslehre über Kriminalistik und Kriminaltechnik bis zu Einsatz- und Führungslehre war alles dabei. Sogar Schießtraining und Selbstverteidigung standen auf dem Programm. Die Zeit der Ausbildung hat unglaublich viel Spaß gemacht und ist viel zu schnell vorbei gegangen. Ich nehme aus der Zeit nicht nur den Job mit, den ich jetzt habe, sondern auch Freundschaften.
Verschiedene Aufgabenfelder für IT-Profis
Seit meinem Abschluss bin ich in der Digitalen Medienstelle der Polizeidirektion Dresden als Sachbearbeiterin für Mobilgeräteforensik tätig. Dort bin ich für die Aufbereitung der Asservate – also der Beweise – zuständig und stelle diese dann den Fachkommissariaten zur Verfügung. Am meisten mag ich die Abwechslung und den Austausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Wir helfen uns gegenseitig, wenn Probleme auftreten und wir können gegenseitig von unserem Wissen profitieren. Ich durfte aber auch im Rahmen einer dreimonatigen Abordnung in den Alltag des Kriminaldauerdienstes reinschnuppern. Das war unglaublich spannend, weil man nie wusste, was auf einen wartete, wenn das Telefon im Büro geklingelt hat.
Wer weiß, wo ich noch überall arbeiten kann. Für IT-Spezialisten gibt es viele verschiedene Aufgabenfelder bei der Polizei Sachsen. In erster Linie bin ich aber froh, überhaupt angekommen zu sein. Ich kann mir für die Zukunft vorstellen, Kriminaloberkommissarin und danach hoffentlich Kriminalhauptkommissarin zu werden. Das ist dank interner Beförderungen auch ohne ein weiteres Studium möglich, man braucht dafür gute Leistungen und etwas Geduld.
Riccardo, 29 Jahre: Vom Software-Entwickler zum Kriminalkommissar
Ich wollte schon als Teenager mal Polizist werden, habe den Plan dann aber verworfen und mich doch für ein Studium im Bereich Kommunikations- und Informationstechnik entschieden. Danach habe ich einige Jahre als Software-Entwickler und im technischen Support bei einem Kommunikationstechnik-Dienstleister gearbeitet. Aber als mein Kumpel mir dann von der Ausschreibung als IT-Spezialist der sächsischen Polizei erzählt hatte, war ich bereit doch den Schritt zur Polizei zu wagen. Ich habe mich von meiner damaligen Stelle leider nicht mehr richtig gefordert gefühlt, mir fehlte die Abwechselung in der Aufgabenstellung und eine Entwicklungsperspektive.
Die Stellenbeschreibung hat mich sofort angesprochen! Meine Bewerbung habe ich dann ganz einfach online abgeschickt. Kurze Zeit später habe ich das Auswahlverfahren durchlaufen – übrigens ist es annähernd das gleiche, was auch andere Anwärter für Ausbildung und Studium machen. Im Einzelgespräch wurde es aber schon etwas spezifischer, etwa mit Fragen zu Fachthemen wie dem Darknet oder Kryptowährungen.
Nachdem ich dann das Auswahlverfahren bestanden hatte, begann für mich 2019 der Weg zum Kriminalkommissar. Während des einjährigen Vorbereitungsdienstes stand für mich zum ersten Mal die Schießausbildung an der Kurzwaffe auf dem Programm. Auch wenn ich noch regelmäßig Schießtraining habe, hoffe ich, dass ich die Waffe im Dienstalltag nicht nutzen muss.
Mehr Polizist als Informatiker
Mit dem Abschluss im Herbst des vergangenen Jahres wusste ich, dass sich die Mühe gelohnt hat. In der Polizeidirektion Zwickau ist meine Arbeit jetzt ziemlich abwechslungsreich. Als Kriminalkommissar für den Bereich Cybercrime bin ich aktuell mit der Internetauswertung betreut. Das heißt, dass ich im Rahmen von Ermittlungen öffentlich zugängliche Informationen aus dem Internet überprüfe. Hier versuche ich Verbindungen herzustellen, die im besten Fall den Kreis möglicher Täter einengen oder Hinweise liefern.
Trotz meines IT-Studiums fühle ich mich auch nach dieser kurzen Zeit mehr als Polizist und weniger als Informatiker, weil ich recht oft bei Einsätzen dabei bin, um etwa bei Durchsuchungen Laptops oder Smartphones sicherzustellen.
Weitere Einsatzgebiete
Cybercrime-Experten arbeiten nicht nur in den Polizeidirektionen: Das LKA hat eine spezielle Einheit – das SN4C – eingerichtet. Mehr zu den Spezialisten für Internetkriminalität und den verschiedenen Einsatzmöglichkeiten liest du hier.
Du möchtest im Kampf gegen Cybercrime unterstützen und zum Beispiel im Netz auf Spurensuche gehen?
Du benötigst ein abgeschlossenes Studium in Informatik, Wirtschaftsinformatik, Informations- und Kommunikationstechnik oder ein vergleichbares technisches oder naturwissenschaftliches Studium mit IT-Bezug. Alle Infos zu den Voraussetzungen und Perspektiven.