Vor der Einstellung muss jede Bewerberin und jeder Bewerber zu einem ausführlichen medizinischen Check. Doch was schaut sich der Mediziner bei der polizeiärztlichen Untersuchung genau an? Und welche Sportarten empfiehlt eigentlich der Polizeiarzt? Das verrät Prof. Dr. med. habil. Thomas Friedrich.
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Bewerbungstipps: So läuft die polizeiärztliche Untersuchung
Für Prof. Thomas Friedrich ist kein Tag wie der andere. Er ist seit Juni 2019 leitender Polizeiarzt bei der sächsischen Polizei. Wenn er nicht gerade Bewerberinnen und Bewerber gesundheitlich durchcheckt, sichert er größere Einsätze medizinisch ab, untersucht erkrankte Polizisten oder lehrt an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) in Rothenburg – um nur einen kleinen Auszug aus seinem umfangreichen Aufgabenspektrum zu nennen.
Nach seinem Medizinstudium an der Universität Leipzig hat Thomas Friedrich an der dortigen Uniklinik den Facharzt für Chirurgie gemacht, promoviert und später auch habilitiert. Bereits seit 18 Jahren ist er als Polizeiarzt in Dresden und Leipzig im Einsatz.
„Die Arbeit als Polizeiarzt ermöglicht mir einen Einblick in alle Bereiche der Polizei“, sagt Prof. Friedrich, weil immer wieder neue Aufgaben auf ihn und seine Kolleginnen und Kollegen warten. Dabei sei der Check-Up von Bewerberinnen und Bewerbern in der polizeiärztlichen Untersuchung für ihn besonders wichtig, denn „sie dient dem Schutz der Gesundheit der Bewerberin oder des Bewerbers, da der Polizeiberuf hohe gesundheitliche Anforderungen an die physische und psychische Belastbarkeit stellt.“
Herr Prof. Friedrich, was sind eigentlich die Aufgaben eines Polizeiarztes? Wir hörten beispielsweise, dass Sie bei der polizeiärztlichen Untersuchung auch Tattoos überprüfen?
Prof. Thomas Friedrich: „Polizeiärztinnen und Polizeiärzte haben alle eine abgeschlossene Facharztausbildung, zum Beispiel in den Bereichen Chirurgie, Innere Medizin oder Allgemeinmedizin. Es gibt aber auch Spezialisten wie HNO-Ärzte, Urologen oder Notfallmediziner. Das Aufgabenspektrum ist breit gefächert.
Im Wesentlichen kümmern wir uns um beamtenrechtliche Untersuchungen. Das können zum einen die polizeiärztlichen Untersuchungen für Bewerberinnen und Bewerber, aber auch die Tests zur gesundheitlichen Eignung vor der Verbeamtung auf Lebenszeit sein. Außerdem prüfen wir die Polizeidienstfähigkeit von Polizistinnen und Polizisten mit gesundheitlichen Einschränkungen.
Wir übernehmen bei der Polizei Sachsen auch betriebsmedizinische Aufgaben sowie Hör- und Sehtests. Gerade bei den Spezialkommandos oder den Tauchern muss die Tauglichkeit überprüft werden. Außerdem kontrollieren wir regelmäßig den vorhandenen Impfschutz und führen, wenn es notwendig wird, auch Schutzimpfungen durch. Wir sind Ansprechpartner in gesundheitlichen Fragen für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort, zum Beispiel in Notfällen, und sind auch in Einsätzen dabei, in denen das Verletzungsrisiko erhöht ist.
Um zu Ihrer zweiten Frage zu kommen: Ja! Wir gucken uns tatsächlich auch die Tattoos der Bewerberinnen und Bewerber an. Bei der polizeiärztlichen Untersuchung haben wir diese genau im Blick. Aktuell dürfen sie bei langärmliger Kleidung nicht im sichtbaren Bereich sein. Das heißt an Händen, im Gesicht und am Hals dürfen potentielle Polizistinnen und Polizisten keine Tattoos haben – also im sichtbaren Bereich. Dazu vergleichen wir auch Fotoaufnahmen der Tattoos mit dem Ist-Stand. Die inhaltliche Bewertung der Tattoos – auch der nicht sichtbaren – erfolgt im Rahmen der Prüfung zur charakterlichen Eignung durch das Auswahlteam.“
Wie bereite ich mich – aus der Mediziner-Sicht – optimal auf die Bewerbung vor?
Prof. Thomas Friedrich: „Ich empfehle, schon frühzeitig mit den Vorbereitungen zu beginnen. Aus medizinischer Sicht eignen sich Ausdauersportarten, Kampfsportarten sowie Kraftsportarten. Bei allen gilt aber: Moderat trainieren und nicht exzessiv. Das Auswahlteam bietet für die Vorbereitung aber auch Trainingspläne an. Als Tipp vom Polizeiärztlichen Dienst: Verletzungsanfällige Sportarten wie Fußball oder Abfahrtski sollten vermieden werden, je näher das Auswahlverfahren rückt.
Bewerberinnen und Bewerber sollten sich schon weit im Voraus mit gesunder Ernährung auseinandersetzen. Jeder Körper benötigt etwas anderes. Ausgewogen sollte die Ernährung aber sein. Ziel ist es, vorrangig Über- und Untergewicht zu vermeiden.
Es ist selbstverständlich, dass der Gebrauch anaboler Steroide, übertriebene Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sowie der Gebrauch illegaler Drogen verboten ist – auch Alkoholmissbrauch. Sinnvoll ist es, nicht zu rauchen. Raucher sind per se nicht untauglich, aber es kann dennoch zu Lungenfunktionsstörungen kommen.“
Herr Prof. Friedrich, wie muss ich mir die ärztliche Untersuchung im Rahmen der Bewerbung vorstellen? Mit einem Augenzwinkern gefragt: Muss ich mich „bücken und husten“?
Prof. Thomas Friedrich: „Für die polizeiärztliche Untersuchung müssen auf jeden Fall ein paar Stunden eingeplant werden. Zuerst füllen die Bewerberinnen und Bewerber einen Fragebogen zur Krankengeschichte aus. Mögliche Befunde sollten am Untersuchungstag mitgebracht werden. Diese werden dann besprochen und ausgewertet. Wir begutachten den Gesamteindruck und körperliche Eignung: Also liegt eine Fettleibigkeit vor oder Magersucht, ist das Gangbild harmonisch… Dann schauen wir auch nach Dysbalancen – ist ein Unterschenkel dicker als der andere oder ist ein Gelenk eingeschränkt beweglich? Auch die Wirbelsäule oder die Stellung der Beine – primär O- und X-Beine – wird von uns überprüft.
Während der umfangreichen ärztlichen Untersuchung schauen wir uns auch die Hautbeschaffenheit, den Nasen-Rachen-Raum, die Zähne, die Ohren und inneren Organe an. Tatsächlich gehören Bücken und Husten zur polizeiärztlichen Untersuchung. Allerdings getrennt voneinander. Mit dem Husten wird die Lunge untersucht. Bücken mit gestreckten Beinen ist erforderlich, um die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu überprüfen.
Obligatorisch gehören ebenso noch ein EKG, Lungenfunktionsdiagnostik und Laboruntersuchungen des Blutes und Urins dazu. Bis die Laborbefunde vorliegen, können aber ein bis zwei Tage vergehen. Daher kann die Tauglichkeit nach der polizeiärztlichen Untersuchung nicht direkt ausgesprochen werden.“
Häufig hört man: Mit Brille, Zahnspange, alten Brüchen, Allergien wie Heuschnupfen – damit könne man nicht Polizistin oder Polizist werden. Stimmt das denn?
Prof. Thomas Friedrich: „Eine ausführliche Antwort würde hier wohl den Rahmen sprengen. Nachlesen kann man absolute Ausschlussgründe aber in der Polizeidienstvorschrift 300. Diese gilt bundesweit und basiert auf einem Konsens der leitenden Polizeiärzte von Bund und Ländern. Eine gewisse Dynamik bleibt aber, daher erfolgt eine Beurteilung der Tauglichkeit meist in konkreten Einzelfällen.
Beispiele für eine definitive Untauglichkeit sind unter anderem: eine Erkrankung an Diabetes mellitus, aber auch nicht abgeschlossene kieferorthopädische Behandlungen. Das heißt: Ja – eine Zahnspange wäre ein Ausschlusskriterium. Bei Heuschnupfen und Allergien muss wieder der Einzelfall entscheiden. Brustimplantate sind aber kein Ausschlussgrund mehr, genauso wie einfache Über- und Unterfunktionen der Schilddrüse. Auch abgeschlossene psychotherapeutische Behandlungen führen nicht automatisch zur Polizeidienstuntauglichkeit. Bei alten Brüchen muss eine Einzelfallentscheidung zeigen, ob die Verletzung ohne Folgeschäden abgeheilt ist. Ähnlich wie bei solchen Verletzungen steht es um Tumorerkrankungen. Krebs ist nicht sofort ein Ausschlussgrund. Entschieden wird nach Dauer der Erkrankung beziehungsweise danach, wie lange die Heilung schon abgeschlossen ist. In der Regel muss eine Wartezeit von fünf Jahren nachgewiesen werden, manchmal auch kürzer.
Ein wichtiger Pfeiler polizeilicher Arbeit ist gutes Sehen. Wir prüfen die Sehschärfe ohne Sehhilfe und bei Brillen- oder Kontaktlinsenträgern mit entsprechender Sehhilfe. Per se ist so was kein Ausschlussgrund, aber eine Mindestsehschärfe muss auch bei Verlust von Brille oder Kontaktlinsen vorhanden sein. Diese beträgt bei einem Alter von unter 20 Jahren 50 Prozent und bei einem Alter von über 20 Jahren 30 Prozent. Auch Farbsehen, Kontrast- und Dämmerungssehen wird bei der polizeiärztlichen Untersuchung getestet.
Da die Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit immer differenzierter wird, bieten wir als Polizeiärztlicher Dienst seit einiger Zeit an, Interessenten vor der Bewerbung zu beraten. Der Bewerber oder die Bewerberin sendet uns schriftlich Befunde und Diagnosen und wir prüfen, ob bei vorliegenden Erkrankungen eine Bewerbung überhaupt sinnvoll ist, die Tauglichkeit dauerhaft ausgeschlossen oder nach einer gewissen Heilungsphase wieder möglich ist. Vorab zur Untersuchung vorbeikommen geht allerdings nicht.“